Bevor wir tiefer in das Thema eintauchen, ist es essenziell, die Definitionen zu erklären. Denn hier gibt es viele wichtige Kleinigkeiten, die meistens im Alltag gar nicht bewusst wahrgenommen werden. Ein wichtiger Unterschied ist insbesondere der Gebrauch von „Geschlecht“ und „Gender“. Der englische Begriff „Gender“ dient nicht der Beschreibung des biologischen, sondern des sozialen Geschlechts. Hier werden Aspekte der Geschlechteridentität beschrieben, die eine Person innerhalb der Gesellschaft und Kultur definieren, jenseits ihrer rein biologischen Geschlechtsmerkmale.
Die Gender-Theorie erkennt an, dass Geschlecht auf einem Kontinuum existiert und es eine Vielfalt von Geschlechtsidentitäten jenseits von männlich und weiblich gibt. Dagegen bezeichnet das englische Wort „sex“ für Geschlecht die rein biologische Ebene, festgelegt durch die körperlichen Geschlechtsmerkmale. Das Geschlecht wird in erster Linie als binäre Kategorie betrachtet, bei der Individuen entweder als männlich oder weiblich klassifiziert werden.
Sich diese Unterscheidung noch einmal deutlich vor Augen zu führen, erleichtert ungemein das Verständnis des Themas und dieses Artikels.
Traditionelles Gender Marketing bezeichnet die gezielte Ausrichtung von Marketingstrategien auf spezifische Geschlechtergruppen. Unternehmen passen Produkte, Werbung und Botschaften an traditionelle Geschlechterklischees an, um die Kundschaft anzusprechen. Dies kann dazu führen, dass stereotype Vorstellungen verstärkt und Geschlechterrollen zementiert werden.
Dieses geschlechtsspezifische Marketing basiert auf der Annahme, Männer und Frauen verhielten sich unterschiedlich und hätten aus diesem Grund ein unterschiedliches Kaufverhalten. Sie würden auf einem anderen Weg zur Kaufentscheidung gelangen, hätten unterschiedliche Bedürfnisse und würden anders kommunizieren. Diese Annahmen fußen bedauerlicherweise nicht auf psychologischen, sozial-analytischen Ansätzen zu dem Thema, sondern sind den gesellschaftlich geprägten Geschlechterrollen zu verdanken.
Im klassischen Geschlechtermarketing wird die Gesellschaft in Frauen, Männer, Mädchen und Jungs aufgeteilt bzw. segmentiert. Wenn etwa ein Produkt eine weibliche Zielgruppe erreichen soll, können nach dem veralteten Marketingansatz verschiedene Strategien benutzt werden, um „Frauen“ besser anzusprechen. Für Frauen werden dann gerne pastellfarben, zarte Farben genutzt und ein Werbespruch hinzugefügt, der eine diskrete und sanfte Problemlösung verspricht. Bei Männern wird dagegen ordentlich mit Farben auf den Tisch gehauen und Robustheit, Stärke und Dominanz vermittelt. Diese Ansätze sind kein modernes Marketing uns definitiv kein gutes Gender Marketing!
Von Kindesbeinen auf wird uns durch solche Werbung vorgegaukelt, ein Mädchen oder ein Junge darf nur diese und jene Bedürfnisse haben, oder dieses und jenes mögen. Die eigene Entscheidungsmacht wird weggenommen.
Angefangen hat das veraltete Gender Marketing mit dem Rosa-Blau-Schubladendenken. Mit den Produkten des Alltags wurden so auch Zuschreibungen zum Geschlecht verkauft. Doch dass dies sehr problematisch ist, zeigt sich immer mehr. Denn dieser binäre Marketingansatz stößt bei sehr vielen Kunden und Kundinnen auf Unverständnis und zudem diskriminiert er all die Individuen, die sich weder als weiblich noch als männlich definieren.
Das impliziert, dass die herkömmliche Aufteilung ausschließlich in Männer und Frauen veraltet ist und auf eine andere Art angegangen werden sollte. In jüngerer Zeit gibt es eine wachsende Bewegung für geschlechtsneutrales Marketing, das die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten berücksichtigt und auf offene Weise Zielgruppen anspricht.
Häufig, wenn es um das Thema Gender geht, wird die Diskussion mit den Worten: „Das passiert doch gar nicht mehr“ weggewischt. Das wäre schön. Aber leider entscheiden sich Marketer immer noch für Marketingkampagnen, die auf Stereotypen oder Rollenklischees aufbauen, sie beinhalten oder ansprechen. Stereotypen können sowohl auf das äußere Erscheinungsbild als auch auf Verhaltensweisen bezogen sein. Ein Beispiel ist die Behauptung, eine Frau „shoppt“ aus Leidenschaft, wohingegen der Mann notgedrungen „einkauft“.
Eine Werbung, an der schnell die gesellschaftliche Prägung gesehen werden kann, sind Anzeigen oder Webseiten für „Damenrasierer“. Hier wird gezeigt, wie eine Frau ihren neuen Rasierer an ihren Beinen ausprobiert. Schön und gut, doch das Bein war schon vor der angeblichen Rasur haarlos. Das deutet darauf hin, dass die Gesellschaft Achsel- und Beinbehaarung bei Frauen diffamiert hat. Anscheinend so sehr, dass die Haare nicht nur weg, sondern auch noch retuschiert und das Bein surreal glatt und gebräunt aussehen muss. Dies vermittelt einen Standard, den kein Mensch jemals erreichen wird. Mittlerweile wird allerdings mehr „Haar gezeigt“.
Leider hat Gender Marketing auch dazu geführt, dass es zu einer unterschiedlichen Preisgestaltung aufgrund des Geschlechts gekommen ist. Die Antidiskriminierungsstelle berichtet, dass Frauen im Durchschnitt mehr zahlen müssen als Männer, vor allem für Pflegeprodukte und Dienstleistungen. Nur weil ähnliche Produkte in „weiblichen Formen und Farbtönen“ gestaltet werden, bedeutet das nicht, dass diejenigen, die sich dafür entscheiden, mehr zahlen sollten.
Gender Marketing, das darauf abzielt, ist heutzutage unerwünscht, stößt bei der Kundschaft, insbesondere in sozialen Medien auf Ablehnung und kann schnell zu einem Shitstorm führen.
Deshalb sollte man es lieber lassen!
Das ist immer einfacher gesagt als getan: Denn ein Fettnäpfchen sieht man nicht, bevor man hineingetappt ist. Daher kommt hier eine kleine Anleitung, wie Sie grobe Fehler in Ihrem Gender Marketing vermeiden können:
Es sollte aber auch angesprochen werden, dass eine Segmentierung nach Geschlecht für bestimmte Produkte eine sinnvolle Sache ist. Verkaufen Sie unter anderem ein Produkt, das rein für ein biologisches Geschlecht gemacht ist, etwa Binden oder Tampons, ist es unnütz, eine andere Zielgruppe mit der Werbung zu bespielen. Durch eine gezielte Segmentierung schafft man eine nähere Bindung zu den Kunden oder Kundinnen aufzubauen, besser Ihr Problem aufzugreifen und Ihre Bedürfnisse anzusprechen. Hier macht Gender Marketing definitiv Sinn, jedoch muss es korrekt angewendet werden.
Es darf keine Stereotypen bedienen, traditionelles Verhalten betonen oder sich auf das klassische „Konsumverhalten“ beschränken.
Unsere Gesellschaft erlebt immer mehr „Wokeness“ zu diesem Thema, deshalb ist es wichtig, dass Sie als Unternehmen auch ein Teil dieser Konversation werden. Allgemein kann gesagt werden, dass Gender Marketing gut ist, solange es keinen Sexismus beinhaltet. Es ist allerdings dabei wichtig, das veränderte Genderbewusstsein und die Vielfalt an Geschlechteridentitäten zu berücksichtigen.
Das Konzept geht demnach zu einem genderneutralen Marketing. Also, Gender Marketing hat sich noch nicht in den Ruhestand verabschiedet, aber es trägt jetzt eine trendige neue Frisur. So können Sie Marketing betreiben, das sich an alle richtet und bei dem sich jeder wohlfühlt.